Physikalische Wirkung auch in der Quantenwelt gültig

Physikalische Wirkung auch in der Quantenwelt gültig

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20. Januar 2023 (Nanowerk-Neuigkeiten) Physiker der Universität Bonn haben experimentell nachgewiesen, dass für sogenannte „Bose-Einstein-Kondensate“ ein wichtiger Satz der statistischen Physik gilt. Ihre Ergebnisse ermöglichen es nun, bestimmte Eigenschaften der Quanten-„Superteilchen“ zu messen und Systemeigenschaften abzuleiten, die sonst nur schwer zu beobachten wären. Die Studie ist jetzt in erschienen Physical Review Letters („Fluktuations-Dissipations-Beziehung für ein Bose-Einstein-Kondensat von Photonen“). Angenommen, vor Ihnen steht ein Behälter, der mit einer unbekannten Flüssigkeit gefüllt ist. Ihr Ziel ist es herauszufinden, um wie viel sich die darin enthaltenen Teilchen (Atome oder Moleküle) aufgrund ihrer thermischen Energie zufällig hin und her bewegen. Sie haben jedoch kein Mikroskop, mit dem Sie diese als „Brownsche Bewegung“ bezeichneten Positionsschwankungen sichtbar machen könnten. Es stellt sich heraus, dass Sie das gar nicht brauchen: Sie können auch einfach einen Gegenstand an eine Schnur binden und ihn durch die Flüssigkeit ziehen. Je mehr Kraft Sie aufwenden müssen, desto dickflüssiger wird Ihre Flüssigkeit. Und je viskoser diese ist, desto weniger verändern die Partikel in der Flüssigkeit im Durchschnitt ihre Position. Die Viskosität bei einer gegebenen Temperatur kann daher verwendet werden, um das Ausmaß der Schwankungen vorherzusagen. Das physikalische Gesetz, das diese fundamentale Beziehung beschreibt, ist das Fluktuations-Dissipations-Theorem. Vereinfacht gesagt heißt es: Je mehr Kraft man aufwenden muss, um ein System von außen zu stören, desto weniger schwankt es auch zufällig (also statistisch) von selbst, wenn man es in Ruhe lässt. „Wir haben die Gültigkeit des Theorems nun erstmals für eine spezielle Gruppe von Quantensystemen bestätigt: die Bose-Einstein-Kondensate“, erklärt Dr. Julian Schmitt vom Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn. Photonen (grün) können von den Farbstoffmolekülen (rot) „verschluckt“ und später wieder „ausgespuckt“ werden Photonen (grün) können von den Farbstoffmolekülen (rot) „verschluckt“ und später wieder „ausgespuckt“ werden. Je wahrscheinlicher dies ist, desto stärker schwankt die Photonenzahl. (Bild: J. Schmitt, Universität Bonn)

„Superphotonen“ aus tausenden Lichtteilchen

Bose-Einstein-Kondensate sind exotische Formen von Materie, die durch einen quantenmechanischen Effekt entstehen können: Unter bestimmten Bedingungen werden Teilchen, seien es Atome, Moleküle oder sogar Photonen (Teilchen, die Licht darstellen), ununterscheidbar. Viele Hunderte oder Tausende von ihnen verschmelzen zu einem einzigen „Superteilchen“ – dem Bose-Einstein-Kondensat (BEC). In einer Flüssigkeit mit endlicher Temperatur bewegen sich Moleküle willkürlich hin und her. Je wärmer die Flüssigkeit ist, desto ausgeprägter sind diese thermischen Schwankungen. Auch Bose-Einstein-Kondensate können schwanken: Die Anzahl der kondensierten Teilchen variiert. Und auch diese Schwankung nimmt mit steigender Temperatur zu. „Wenn für BECs das Fluktuations-Dissipations-Theorem gilt, sollten sie umso empfindlicher auf eine äußere Störung reagieren, je größer die Schwankung ihrer Teilchenzahl ist“, betont Schmitt. „Leider sind die Zahlenschwankungen der üblicherweise untersuchten BECs in ultrakalten atomaren Gasen zu gering, um diesen Zusammenhang zu testen.“ Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Weitz, in der Schmitt Nachwuchsgruppenleiter ist, arbeitet jedoch mit Bose-Einstein-Kondensaten aus Photonen. Und für dieses System gilt die Einschränkung nicht. „Wir bringen die Photonen in unseren BECs dazu, mit Farbstoffmolekülen zu interagieren“, erklärt der Physiker, der kürzlich einen hoch dotierten Nachwuchspreis der Europäischen Union, den sogenannten ERC Starting Grant, gewonnen hat. Bei der Wechselwirkung von Photonen mit Farbstoffmolekülen kommt es häufig vor, dass ein Molekül ein Photon „verschluckt“. Dadurch wird der Farbstoff energetisch angeregt. Diese Anregungsenergie kann es später freisetzen, indem es ein Photon „ausspuckt“.

Niedrigenergetische Photonen werden seltener geschluckt

„Aufgrund des Kontakts zu den Farbstoffmolekülen weist die Anzahl der Photonen in unseren BECs große statistische Schwankungen auf“, sagt der Physiker. Zudem können die Forscher die Stärke dieser Variation genau steuern: Im Experiment werden die Photonen zwischen zwei Spiegeln eingefangen, wo sie in einer Ping-Pong-Spiel-Manier hin und her reflektiert werden. Der Abstand zwischen den Spiegeln kann variiert werden. Je größer es wird, desto geringer ist die Energie der Photonen. Da niederenergetische Photonen mit geringerer Wahrscheinlichkeit ein Farbstoffmolekül anregen (sie also seltener verschluckt werden), schwankt die Zahl der gebündelten Lichtteilchen nun viel weniger. Die Bonner Physiker untersuchten nun, wie das Ausmaß der Schwankung mit der „Antwort“ des BEC zusammenhängt. Wenn das Fluktuationsdissipationstheorem gilt, sollte diese Empfindlichkeit abnehmen, wenn die Fluktuation abnimmt. „Tatsächlich konnten wir diesen Effekt in unseren Experimenten bestätigen“, betont Schmitt, der auch Mitglied der Transdisciplinary Research Area (TRA) „Matter“ an der Universität Bonn und des Exzellenzclusters „ML4Q – Matter and Licht für Quantencomputing.“ Wie bei Flüssigkeiten lässt sich nun auch bei Bose-Einstein-Kondensaten aus einfacher messbaren makroskopischen Antwortparametern auf die mikroskopischen Eigenschaften schließen. „Das eröffnet neue Anwendungen, etwa die präzise Temperaturbestimmung in komplexen photonischen Systemen“, sagt Schmitt.

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