„Optische Fingerabdrücke“ auf einem Elektronenstrahl

„Optische Fingerabdrücke“ auf einem Elektronenstrahl

Quellknoten: 3062609
Jan 15, 2024

(Nanowerk-Neuigkeiten) Die präzise Steuerung von Elektronenstrahlen in sogenannten Transmissionselektronenmikroskopen (TEM) ermöglicht die Analyse von Materialien oder Molekülen auf atomarer Ebene. Kombiniert mit kurzen Lichtimpulsen lassen sich mit diesen Geräten auch dynamische Prozesse analysieren. Forscher aus Göttingen und der Schweiz haben nun erstmals gezeigt, wie Elektronen in einem mikroskopischen Lichtspeicher in einem TEM komplexe Lichtzustände unterscheiden können. Wie können wir Licht nutzen, um Informationen zu speichern? Oder damit Daten blitzschnell übertragen? Mit diesen und vielen weiteren Fragen beschäftigt sich das Forschungsgebiet der Photonik. Moderne integrierte Photonik ermöglicht es beispielsweise, Licht in Kanälen auf einem Mikrochip zu leiten oder zu manipulieren. Auch sogenannte nichtlineare optische Verfahren können zum Einsatz kommen, bei denen neue Farben oder extrem kurze Lichtimpulse für sehr hohe Lichtintensitäten entstehen. Diese Technologien werden bereits in der Telekommunikation, für optische Distanz- und Geschwindigkeitsmessungen sowie im Quantencomputing eingesetzt. In jüngster Zeit sind zunehmend neue Schnittstellen zwischen der Photonik und anderen Forschungsfeldern, etwa der Elektronenmikroskopie, entstanden. Beispielsweise können optische Mikrochips neuerdings Elektronenstrahlen beeinflussen. Elektronen wiederum können zur Messung von Lichtfeldern genutzt werden. Wenn ein Elektron ein intensives Lichtfeld durchquert, wird es abhängig von seiner Ankunftszeit und der Stärke des Feldes beschleunigt oder abgebremst. Aus der veränderten Geschwindigkeit des Elektrons können Wissenschaftler dann direkte Rückschlüsse auf die Eigenschaften des Lichts ziehen. Darstellung der Wechselwirkung zwischen dem Elektronenstrahl (grün) und einem im Ringresonator zirkulierenden Solitonenlichtimpuls (farbig auf weißem Hintergrund). Darstellung der Wechselwirkung zwischen dem Elektronenstrahl (grün) und einem im Ringresonator zirkulierenden Solitonenlichtimpuls (farbig auf weißem Hintergrund). Die Veränderungen im Elektronenstrahl geben Aufschluss über die Eigenschaften des Lichtpulses. (Bild: Ryan Allen, Second Bay Studios)

Verschiedene Lichtzustände analysiert

In einer neuen Studie in der Zeitschrift veröffentlicht Wissenschaft („Wechselwirkung freier Elektronen mit nichtlinearen optischen Zuständen in Mikroresonatoren“) hat ein Team um Claus Ropers vom Max-Planck-Institut (MPI) für multidisziplinäre Wissenschaften in Göttingen und Tobias Kippenberg von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) nun verschiedene nichtlineare optische Prozesse mithilfe eines Elektronenstrahls untersucht. Dazu platzierten sie einen ringförmigen Lichtspeicher, einen sogenannten Mikroresonator, in einem TEM und erzeugten darin Licht mit unterschiedlichen Wellenformen. Anhand der charakteristischen Wechselwirkung mit dem Elektronenstrahl konnten sie anschließend die verschiedenen Lichtzustände im Detail analysieren. „Wenn wir den Elektronenstrahl so positionieren, dass die Elektronen an den Resonatoren vorbeifliegen, können wir den genauen Einfluss des Lichtfeldes auf die Elektronenenergie messen“, erklärt Jan-Wilke Henke vom MPI. Seine Kollegin Jasmin Kappert ergänzt: „Jede der möglichen Wellenformen des Lichts hinterlässt einen charakteristischen Fingerabdruck im Elektronenspektrum, der es uns ermöglicht, die Entstehung der verschiedenen Zustände zu verfolgen.“ Die beiden Doktoranden führten die Experimente im Labor für Ultraschnelle Transmissionselektronenmikroskopie am MPI in Göttingen durch. Die benötigten photonischen Chips wurden vom Team in Lausanne entwickelt.

Lichtimpulse dauern weniger als ein Zehntel einer Billionstel Sekunde

Den Forschern gelang es jedoch nicht nur, Lichtfelder anhand ihrer Wirkung auf Elektronen zu charakterisieren: „In unseren Experimenten haben wir auch sogenannte Solitonen erzeugt – stabile, ultrakurze Lichtpulse mit einer Dauer von weniger als einem Zehntel einer Billionstel Sekunde“, erklärt Physikerin Yujia Yang von der EPFL. Die Möglichkeit, Solitonen in einem TEM zu erzeugen, erweitert den Einsatz nichtlinearer Optiken und Mikroresonatoren in unerforschte Bereiche, sagt Tobias Kippenberg. „Die Wechselwirkung zwischen Elektronen und Solitonen könnte unter anderem ultraschnelle Elektronenmikroskopie mit einer beispiellos hohen Wiederholrate ermöglichen.“ Max-Planck-Direktor Claus Ropers ergänzt: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die Elektronenmikroskopie hervorragend für die Untersuchung nichtlinearer optischer Dynamiken auf der Nanoskala eignet.“ Wir gehen außerdem davon aus, dass es in Zukunft noch viele weitere Anwendungen für diese Technologie geben wird, sowohl für die räumliche als auch zeitliche Manipulation von Elektronenstrahlen.“

Zeitstempel:

Mehr von Nanowerk